Ohne Bücher wären wir ärmer, aber viele Autoren reicher. Selten stehen Ehre und Einkommen in einem solchen Missverhältnis wie bei Buchautoren. Und das, obwohl Bücher schreiben so viel Arbeit macht, wie ich selber weiß! Man denkt und tippt und grübelt und löscht und dann tippt man wieder, monatelang, manchmal jahrelang, und dann kommt trotzdem nicht genug Geld aufs Konto. Es ist wirklich ungerecht, und deshalb schäme ich mich immer sehr, wenn ich obendrein noch bar jeder Solidarität mit darbenden Textschaffenden ein Buch gebraucht kaufe, sogar im Internet, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, wo oft das Porto das teuerste an dem ganzen Deal ist.

Trotz dieser meiner verwerflichen Haltung habe ich es aber nun fertiggebracht mich zu empören, und zwar beim Gebrauchtbuchladen um die Ecke. Man soll ja nicht so viel im Internet kaufen, sondern ins Geschäft gehen, damit die kleinen Händler auch was abkriegen! Also beschloss ich, den Laden auszuprobieren. Allerdings führt ihn gar kein echter Buchhändler (die haben hier in den letzten Jahren alle dicht gemacht), sondern es handelt sich um ein soziales Projekt für Menschen, die nach längerer Krankheit eine Struktur brauchen, um wieder Fuß zu fassen. Es wird subventioniert, und die Bücher kommen über Spenden rein. Deshalb muss der Laden sich nicht rechnen und werden die Bücher genauso billig verkauft wie manchmal im Internet, bloß ohne Porto. Macht ja nichts, oder? Oder vielleicht doch? Ich fand jedenfalls schon nach kurzem Stöbern ein Buch einer Autorin meines Vertrauens, von der ich weiß, dass sie weiß, worüber sie schreibt, und begab mich beglückt zum Kassierer, um zu fragen, was das Werk denn kosten solle.

Der Mann schlug nicht etwa das Buch auf oder drehte es, um den Preis zu suchen, sondern er legte das Buch auf die hässliche Digitalwaage auf seinem Tresen und sagte zu mir: „Das Kilo 2 Euro.“

Völlig verdutzt schaute ich erst ihn an, dann die Waage, dann schlug mich das Kaufgeschehen in seinen Bann und ich starrte auf das Display, weil ich keine Ahnung hatte, wie schwer so ein Buch ist. Dann war ich erleichtert, weil es nur ein Pfund wog. Und dann, als ich „ok“ gesagt hatte und das Portemonnaie rauskramte, kam der Schmerz. Ich dachte an die Nöte der Autorin dieses Buches, um die ich wusste, an die Millionen Zeichen, die ich selbst schon getippt hatte, an das Gehirnschmalz, das zwischen all den Milliarden Bücherseiten dieser Welt klebt. Und jetzt wurden die Bücher hier abgewogen wie Tomaten? Und ich stand hier und kaufte das. Ich Mitläuferin! Ich raffte mich auf und die Kraft meines Alters zusammen und ließ einen Oberlehrerinnentadel los: „Bücher abwiegen, das macht man nicht!“

Der Mann atmete erschrocken ein und aus und sagte dann, lange hätten sie die Preise nach Einband gestaltet. Hardcover 1 Euro, Paperback 50 Cent. Das wär ihnen aber irgendwie ungerecht vorgekommen, weil es ja auch größere Taschenbücher und kleinere Hardcover gibt, und deshalb würden sie die Bücher jetzt abwiegen.

Was sollte ich dazu sagen? „Können Sie nicht wenigstens nach Seitenzahlen berechnen“, war alles, was mir einfiel. Der Mann starrte mich ausdruckslos an. Ich packte das Buch ein. Als ich aus dem Laden stolperte, wusste ich, wer auch immer diese Welt rettet, ich würde es nicht sein.

(Mai 2014)